Den Spaß am Lernen entdecken
Kinder lernen, weil sie darauf programmiert sind. Sie kommen auf die Welt, um sich zu entwickeln, um zu wachsen und um Neues zu entdecken. Jedes Kind trägt in sich die natürliche Neugierde, zu entdecken. Und es hat Spaß dabei!
Kinder lernen erst durch Beobachten und durch die orale Stimulation: also alles in den Mund nehmen. Und immer wieder und immer wieder. Nach dieser Phase kommt das Spielen. Kinder lernen durch und in dem Spiel. Sie erlernen Regeln, Sprache, neue Verhaltensweisen, sie probieren aus, was möglich ist und was nicht. Dabei können auch viele Sachen kaputtgehen 😊 und auch auf diese Weise lernen die Kleinen.
Wenn Kinder spielen, sind sie entspannt. Dieser Zustand bedeutet für sie einfach Vergnügen. Also ist der Lernprozess, der beim Spielen stattfindet, auch lockerer Natur und somit ein Vergnügen. Die Information erreicht das Kind hierbei ungehindert und es kann sie in sein Wesen ganz natürlich integrieren.
Bis zum Alter von 6-7 Jahren verbringen Kinder einen großen Teil ihres Lebens auf den Wellenlängen des Gehirns, die dem Hypnosezustand ähnlich sind. Dies sind die sogenannten Thetawellen. In diesem Zustand erreicht die Information unser Unterbewusstsein ungehindert und wird dort festgespeichert, so dass wir später unter dem Einfluss dieser so früh gespeicherten Informationen handeln. Dies können Verhaltensweisen der Eltern sein, ihre Worte zueinander oder zu uns usw.
Sätze wie: „Du kannst das nicht.“ Oder „Man muss hart arbeiten, um etwas im Leben zu erreichen.“ prägen unser Glauben im Erwachsenenalter. Und wir handeln nach unserem Glauben. Alles, was wir in diesem frühen Alter gesehen, gehört und erlebt haben, bleibt in unserem Unterbewusstsein und prägt unser weiteres Leben und Verhalten. Und dafür müssen wir nichts extra lernen. Es geschieht ganz automatisch.
Das Lernen bis zum siebten Lebensjahr findet also durch Beobachten, Spielen, Emotionen, Imitation und Ausprobieren oder Handeln statt.
Das kindliche Verhalten während des Lernens – eine Herausforderung für Eltern im Lernprozess
Als Mutter oder Vater hat man viel Verantwortung zu tragen. Man muss für die Nahrung, Kleidung, Miete und tausend andere Sachen sorgen. Im Laufe unserer Entwicklung haben wir Erwachsene eine andere Wahrnehmung für die Dinge im Leben entwickelt, wie sie eben ablaufen sollen. Im Laufe unseres Erwachsenwerdens haben wir die natürlichen Lernstrategien des Kindesalters „verlernt“ oder gar total blockiert. Und zumal arbeitet unser Erwachsenengehirn im wachen Zustand nicht mehr im Thetawellenbereich. Wir mussten also lernen anders zu lernen. Für uns bedeutet Lernen oft Anstrengung, Bemühungen und schwere Konzentration. Oft ist der Lernprozess mit gewissen Konsequenzen verbunden wie zum Beispiel: das Bestehen einer Prüfung, mehr Geld verdienen, einen besseren Job erlangen etc.
In meiner Arbeit als Therapeutin beobachte ich diesen Konflikt zwischen Kindern und Eltern fast täglich. Ein Konflikt zwischen zwei Welten, zwischen zwei verschiedenen Auffassungen des Begriffs oder Vorgangs „Lernen“, zwischen zwei grundsätzlich unterschiedlichen neuronalen Verarbeitungsstrategien.
Wenn ich in einer Therapiesituation mit kleinen Kindern sitze und die Eltern miteinbeziehe, denn das finde ich enorm wichtig, auch den Eltern das Spielen beizubringen 😊 dann erlebe ich oft Folgendes: das Kind nimmt das Auto und fängt an, damit zu spielen. Es macht dabei Geräusche, lässt das Auto fallen usw. Mama sitzt daneben und sagt: „Nein!!! Lass das! Benimm dich jetzt! Konzentriere dich!“ Dann sprechen wir mit der Mutter über die Hausaufgaben der letzten Sitzung. Von der Mutter erfahre ich, dass der Junge überhaupt keine Lust hat, diese zu machen. Sie selbst hätte auch große Schwierigkeiten, sich zum Spielen zu motivieren. Das Kind würde jedoch super gerne zur Logopädie gehen und sich vorher riesig darauf freuen.
Was ist da schiefgelaufen?
Mama möchte jetzt die Hausaufgaben von der Logopädie mit dem Kind üben. Für sie bedeutet Üben = Lernen. Sie verbindet Lernen mit Begriffen wie Konzentration, Frage-Antwort, Frage-Zeigen, Anstrengung, bewusste Wahrnehmung, Da-sein, in der Situation präsent sein.
Ein Kind im Vorschulalter und sogar noch im frühen Grundschulalter verbindet Lernen mit Spiel. Spiel ist gleich Spaß, Bewegung, Geräusche machen, Quatsch machen, Ausprobieren, Träumen, in andere Situationen oder Welten fliehen, diese Erschaffen, Imitation und auch oft Abschweifen. Für das Kind findet das Lernen unbewusst statt!!!
Aber wie kann das Abschweifen zum Lernen gehören? Da passiert ja nichts!
Ja, genau! Es passiert nichts und zugleich auch ganz viel. Wenn Kinder im gemeinsamen Spiel auf einmal abschweifen, also durch die Gegend schauen oder sich plötzlich mit einem Spielzeug „sinnlos“ beschäftigen, dann befinden sie sich in einem Zustand der Integration. Sie integrieren gerade den Input, den sie eben von uns bekommen haben und machen Platz für neuen Input. Jedes Kind braucht unterschiedlich lange für diesen Prozess.
Das Abschweifen kann natürlich auch andere Ursachen haben wie z.B. einer unangenehmen Situation, in diesem Fall dem Lernen und dem Druck dabei zu entfliehen. Dieses Thema werde ich in einem anderen Artikel gründlicher behandeln.
Kommen wir nun zurück zum gegenwärtigen Thema. Gerade in diesen Momenten der Integration fangen Eltern häufig an, das Kind daran zu erinnern, sich zu konzentrieren und aufzupassen. Damit unterbrechen sie diesen für das Kind so wichtigen Prozess, holen es in die kalte Realität zurück und plötzlich macht das Lernen oder Spielen keinen Spaß mehr. Es ist bewusst geworden. Aus diesem Grund kann man Logopädie nicht gleich mit Sprachunterricht setzten. Im Sprachunterricht lernt man für gewöhnlich die Informationen mit Absicht und bei bewusster Konzentration. In der Logopädie werden die gestörten Prozesse auf unbewusster Weise behandelt, nämlich im Spiel, vor allem wenn es um kleine Kinder geht.
Für die meisten Erwachsenen ist das Üben mit kleinen Kindern eine Herausforderung. Wir sind aufgrund der Umstände unseres Lebens zu ernst geworden, sehen auch die kommenden langfristigen Konsequenzen des Misserfolgs beim Lernen und können uns sehr schwer auf ein „albernes“ Spiel einlassen. Und auch wir haben oft keine Lust zu lernen oder zu üben, da wir es mit Anstrengung verbinden und dazu negative Gefühle in uns ausgelöst werden.
Dabei ist es so einfach, die logopädischen Hausaufgaben durchzuführen.
Hier einige Tipps:
Lassen Sie einfach Ihr Kind sein Lieblingsspiel aussuchen. Kinder lieben es, wenn man sich Zeit nur für sie nimmt. Spielen Sie das Spiel mit ihrem Kind mit der Voraussetzung, dass Sie zwischendurch auch andere tolle Sachen ausprobieren werden (zum Beispiel die Zungenübungen) und wenn es gut klappt, würde man extra Punkte im Spiel bekommen. Versuchen auch Sie als Eltern, sich währen des Spiels zu entspannen und alles andere zu vergessen. Das wird Ihnen guttun. Albern Sie mit Ihrem Kind herum. Machen Sie gerne auch Geräusche, Grimassen und Quatsch zusammen. Alles, was Ihnen in den Sinn kommt, was Sie sich ansonsten im ernsthaften Alltag nicht erlauben würden: Zunge herausstrecken, komische Grimassen ziehen, oder lustige Geräusche nachahmen, je nach Spiel, welches gerade gespielt wird. Tauchen Sie in die Welt Ihres Kindes ein. Besuchen Sie es dort, wo es sich die meiste Zeit aufhält. Sie werden es lieben und danach werden Sie sich auch ein Stückchen entspannter und gelassener fühlen. Denn körperlich leben alle zusammen in denselben Räumen, aber mental lebt jedes Familienmitglied in einer anderen Welt. Und manchmal ist es sehr schwer, dass alle sich in hier und jetzt treffen und dort verbleiben.
Verlangen Sie nicht von dem Kind, die Übung zu oft zu machen. Geben Sie ihm Zeit. Wenn Sie ein Spiel spielen, bei dem man sich zum Beispiel mit dem Würfeln abwechselt, dann machen Sie die logopädische Übung nur, wenn Sie mit dem Würfeln an der Reihe sind. Auf diese Weise kann das Kind den Input besser verarbeiten und, da Sie ja an der Reihe sind, muss es sowieso auf Sie warten. Anderenfalls, würden Sie die Übung immer dann durchführen, wenn das Kind an der Reihe ist, können Sie erwarten, dass es sich für diese gar nicht interessiert, sondern eher für das Würfelergebnis.
Wenn das Kind das gemeinsame Spielen oder Üben ganz verweigert, dann ist es am besten eine Belohnung auszumachen, wenn es doch gut mitmacht. Man kann auch eine Eieruhr oder den Timer auf dem Handy stellen und versprechen, dass wenn es klingelt, das Spiel vorbei ist.
Wichtig ist es, das Kind ordentlich zu loben, wenn Sie sehen, dass es sich gerade sehr bemüht. Egal, ob es die Übung gerade perfekt ausführt oder nicht. Lächeln Sie es an, streicheln Sie seinen Kopf oder klatschen Sie. Viele Eltern vergessen das Lob und sind sehr auf Kritik fokussiert. In diesem Fall muss man damit rechnen, dass das Kind das gemeinsame Lernen und Spielen verweigern wird.
Sollten Sie bereits Patienten meiner Praxis sein, dann sprechen Sie mich gerne darauf an. Wir finden eine Lösung, wie Sie und Ihr Kind mehr Spaß am Lernen entdecken. Wir alle sind unterschiedlich und benötigen unterschiedlichen Zugang zu unseren Lernfähigkeiten.
Für mich ist die Arbeit mit den Eltern eine der wichtigsten Säulen meiner Erfolgsphilosophie. Die Logopädie findet zwar einmal in der Woche in der Praxis statt aber eigentlich findet sie im besten Fall alltäglich, in der realen Welt. Leider denken viele Eltern, dass es mit dem Einmal getan ist aber eigentlich ist der Logopäde nur derjenige, der die Richtung vorgibt, etwas Neues einführt und mit dem Kind erarbeitet, die nächsten Schritte erklärt und den Prozess kontrolliert. Im Besten Fall arbeiten Logopäde und Eltern eng zusammen. Die Übungen werden tagtäglich durchgeführt und die Fortschritte sind sehr bald zu sehen. Wenn jedoch die Therapie nur tatsächlich einmal in der Woche stattfindet, dann dauert es Monate und manchmal auch Jahre, bis bestimmte Strukturen von den Kindern erworben und integriert werden.